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Indien: Ein guter Riecher zahlt sich aus

Der Einstieg auf dem Subkontinent erfordert allerdings gute Vorbereitung
Oliver Mirza, Chef von Dr. Oetker India, in der Produktion im indischen Rajastan

Oliver Mirza, Chef von Dr. Oetker India, bedient mit Erfolg den "süßen Zahn" vieler Inder

© Eli Hamacher

Deutsche Unternehmen setzen auf Indien – dank eines robusten Wirtschaftswachstums und staatlicher Investitionen. Doch für den Erfolg vor Ort sind oft viel Geduld und ein breites Kreuz erforderlich.

Eigentlich ist Oliver Mirza Spezialist für Saucen, Brotaufstrich und Kuchen. Doch auf dem Weg zu seiner Fabrik in Rajasthan nutzt der Chef von Dr. Oetker India die Fahrt erst einmal für digitale Demonstrationen, springt kurz aus dem Wagen, kauft an einem winzigen Marktstand 200 Gramm Erdnüsse, scannt mit der App eines Zahlungsdienstleisters einen QR-Code, gibt die Summe ein und überweist 30 Rupien (0,33 Euro).

Zwei indische Mädchen verkaufen Erdnüsse, an der Waage lehnt ein Schild mit QR-Code

Erdnüsse mit dem Handy kaufen – auch das ist Indien

© Eli Hamacher

Schon ein paar Sekunden später ertönt aus einem kleinen Lautsprecher hinter dem Werbeschild für mobiles Bezahlen: Betrag erhalten. Mirza macht vor, wie er über die App von Blu Mobility die Fahrten seiner fünfköpfigen Familie mit Elektrofahrzeugen zuverlässig Tage im Voraus managt und damit einen Beitrag zu weniger Smog leistet. Aber auch beim Aufstieg zum drittgrößten Werk im internationalen Oetker-Verbund mit heute 1.000 Mitarbeitenden brachte die Digitalisierung Schnelligkeit, etwa bei Steuererklärungen und Überweisungen. "Auch die weit verbreitete Korruption hat die Umstellung von bar auf digital zumindest eingedämmt", sagt Mirza.

Deutsche Unternehmen nutzen Potenziale ...

Während sich in China Katerstimmung breit macht, bescheinigen deutsche Unternehmen im Asien-Pazifik-Raum vor allem Indien eine positive Entwicklung, wie der jüngste AHK World Business Outlook ergab. Für Optimismus sorgen unter anderem das robuste Wirtschaftswachstum von rund sieben Prozent und die hohen staatlichen Investitionen in die physische und digitale Infrastruktur.

2.000 deutsche Unternehmen sind in Indien mit einer eigenen Niederlassung aktiv, davon produzieren rund 700 Firmen vor Ort, vor allem in den großen Wirtschaftszentren New Delhi, Mumbai/Pune, Bengaluru, Chennai, Ahmedabad und Kolkata. Direkt und indirekt sind damit 500.000 Jobs verbunden.

Für Schlagzeilen sorgen spektakuläre Rekordaufträge: Siemens Mobility wird mehr als 1.200 Loks für drei Milliarden Euro liefern, die Billig-Airline Indigo orderte bei Airbus 500 Flugzeuge, zuvor hatte schon Air India 250 Maschinen bei Airbus bestellt. Die Deutsche Bahn startete bei Delhi Ende 2023 mit dem RapidX die erste regionale Schnellbahn des Landes. Für sie hat der Zwölfjahresvertrag einen Auftragswert im dreistelligen Millionenbereich.

Aber deutsches Know-how ist auch in der Nische gefragt. So lässt ein indischer Top-Unternehmer in seinem 173 hohen Luxusdomizil die Pflanzen im botanischen Garten mit Hightech "made by Stulz" kühlen. Die Kühlsysteme spritzte die Indien-Tochter des Hamburger Klimaanlagen-Herstellers eigens in den Farben der Pflanzen, damit sie unsichtbar sind. 

... müssen aber auch Herausforderungen meistern

Als ehemaliger Chef von Kärcher Indien und heutiger Berater beim Spezialisten für internationale Expansion, M+V Altios, weiß Rüdiger Schröder, wie der riesige Markt tickt. "Indien ist sicher ein Zukunftsmarkt, und die Unternehmen sollten ernsthaft über einen Einstieg nachdenken, aber es gibt viele Fallstricke, angefangen bei Registrierungen über das Eröffnen von Bankkonten bis hin zum Einstellen, aber vor allem auch Entlassen von Mitarbeitenden", warnt der Experte, der auch im Vorstand der Indo-German Chamber of Commerce (AHK Indien) sitzt.

Da könne man viel falsch machen. In anderen asiatischen Ländern habe man es viel leichter. Für ihn ist deshalb die sorgfältige Planung eines Einstiegs, der sich an den indischen Gegebenheiten orientiert, unerlässlich.   

Stulz GmbH: Fünf Fabrikhallen vor Ort

So hat es auch die Stulz GmbH gemacht. Sie startete 1999 mit einem indischen Vertriebspartner, der ab 2004 die lokale Produktion aufnahm. 2006 gründeten Inder und Deutsche ein Joint Venture, bauten die Kapazitäten auf dem Subkontinent nach und nach aus, konzentrierten sich dabei zunächst auf maßgeschneiderte Kühltechnik für die Serverräume von Premium-IT-Kunden und diversifizieren seit 2018 in andere Kundengruppen wie Hotels, Airports und Fabriken.

Ein Jahr später stieg Stulz India in den Export ein, nach Singapur, Indonesien, Korea, auf den Philippinen. Das Geschäft läuft so gut, dass der indische CEO gerade für 15 Millionen Euro eine fünfte Fabrikhalle im Osten der Stadt in Auftrag gegeben hat. "So wollen wir die Kapazität von 2025 an verdoppeln, die Zahl der Mitarbeitenden von heute 800 auf 1.000 erhöhen", sagt Suresh Balakrishnan, CEO in Indien, und präsentiert nicht ohne Stolz die digitalen Baupläne. 

Chancen für Anlagenbau und Schifffahrt

Der Düsseldorfer Anlagenbauer SMS, der vor neun Jahren sein erstes Werk im Osten des Landes eröffnete, damals die größte Fertigung in Indien, finalisiert gerade die Planung für ein zweites Werk, dieses Mal an der Westküste, in Gujarat, dem Bundessstaat, in dem einst Premierminister Modi seinen politischen Aufstieg begann.

Die Hamburger Hapag-Lloyd beteiligte sich mit 40 Prozent an der J M Baxi Ports & Logistics Limited. Das Unternehmen betreibt unter anderem Container-Terminals und Inland-Container-Depots. Im November 2023 wurde in Chennai ein Technology Center eröffnet, in dem knapp 140 IT-Experten innovative technologische Lösungen für die maritime Industrie entwickeln werden. Die indische Softwareindustrie gehört zu den größten weltweit.

Aber auch (leiser) Rückzug

Doch während die Ankunft bekannter Investoren wie Apple mit seiner iPhone-Produktion im Süden des Landes von viel medialem Rummel begleitet wird, vollzieht sich ein Rückzug meist leise. Beispiel: Metro. Die Düsseldorfer, die auf den Indien-Veranstaltungen in Deutschland einst voller Optimismus ihre Erfolgsgeschichte erzählten, gaben den Verkauf ihrer 31 Märkte und des Immobilienportfolios Ende 2022 mit der knappen Begründung bekannt: Aufgrund der Marktdynamik wären erhebliche Investitionen erforderlich gewesen, um das Geschäft in Indien weiter auszubauen. Ein Einzelfall ist das nicht.  

Ohne Rückschläge meistern die wenigsten Unternehmen ihren Aufstieg. Viel Geduld und ein breites Kreuz sind unerlässlich. Das berichtet auch Oetkers Indienchef Mirza. Während der Corona-Pandemie ging 2020 mit Food Bazaar der größte Kunde im Bereich der Lebensmittelhändler pleite. Die Systemgastronomie hatte monatelang dicht. Ein Jahr später kaufte Oetker eine Fertigkuchen-Fabrik im Großraum Delhi. "Anders als Deutschland ist Indien kein Backmarkt, die Menschen haben oftmals gar keinen Ofen, lieben aber Süßes." Mirza hatte einen guten Riecher, das Geschäft wächst stark.

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Katharina Wittke Referatsleiterin Süd- und Südostasien, Pazifik | Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK)

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